Ein Haus mit vielen Gesichtern—und Geschichten
18 junge Menschen aus verschiedensten Ländern dieser Welt stehen vor dem imposanten Eingang einer alten Villa am Kaiser-Wilhelm-Ring in Münster.
Es sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines deutschen Sprachkurses bei WiPDaF in Münster. Bestimmt fragen sie sich, was sie hier erwartet, denn die schöne Fassade verrät nichts über die wechselvolle Geschichte dieses Hauses.
Im Empfangsraum erwartet sie Gert, Lehrer bei WiPDaF und ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Villa ten Hompel. Denn so heißt dieses Gebäude, das heute ein Gedenkort ist und an die leidvolle Geschichte im letzten Jahrhundert in Deutschland erinnern möchte. Und so steht auch übergroß das Motto des Museums gleich im ersten Raum: Geschichte-Gewalt-Gewissen.
Stichwort Geschichte:
Los geht es mit Bildern, die am Touchtisch vergrößert werden und die mehr als hundertjährige Geschichte des Hauses zeigen. Wir sehen die Familie von Rudolf ten Hompel, einem Zementfabrikanten aus Münster, der die Villa 1924 erbauen ließ und bis 1931 dort mit seiner Familie lebte. Wir sehen eine große Gruppe von uniformierten Polizisten, die ab 1939 in diesem Gebäude arbeiteten. Es ist die Ordnungspolizei, deren Verbrechen zwischen 1939 und 1945 im Museum gezeigt werden. Und wir sehen das Bild der Mitarbeitenden einer Behörde, die nach dem Ende des Nationalsozialismus ebenfalls in der Villa ihrer Arbeit nachgingen.
Stichwort Gewalt:
„Warum ist in dem Schaukasten so viel zerschlagenes Geschirr ausgestellt?“, fragt eine Teilnehmerin, als wir im ersten Raum stehen. „Erinnert wird hier an die Reichskristallnacht, einem der ersten Höhepunkte der Verfolgung von Jüdinnen und Juden in der Hitlerzeit“, erklärt Gert.
Im Generalszimmer, dem größten Raum erwartet die jungen Besucher eine Fülle von Bildern, Videos, Dokumenten und Gegenständen. Am Kopfende steht ein umgestürzter Schreibtisch. Und auch hier ist die erste Frage: „Warum ist der Schreibtisch umgestürzt.“ „Er verdeutlicht den Begriff des Schreibtischtäters“, erklärt Gert anschaulich an einem Touchtisch, wo die Einsätze der Polizeibataillone in Osteuropa anhand von vielen Bildern nachvollzogen werden können „Denn von den Schreibtischen der in der Villa arbeitenden Ordnungspolizisten gingen die Befehle für kaum vorstellbare Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung im Osten Europas aus“, so Gert weiter.
Abertausende wurden erschossen, verbrannt und in die Gaskammern der Konzentrationslager begleitet.
Stichwort Gewissen:
Wie umgehen mit dieser Geschichte? Kann man diese Verbrechen überhaupt in irgendeiner Form wiedergutmachen? Mit Geld? Alle Teilnehmenden sind sich hier einig, dass man das eigentlich nicht kann. Und doch mussten sich ab 1954 Mitarbeitende des Wiedergutmachungsamtes in der Villa mit dieser Gewissenfrage beschäftigen. Sicherlich keine leichte Aufgabe.
Schlusspunkt des Besuches ist schließlich die Frage, warum an diese schrecklichen Zeiten und Ereignisse erinnern. Erstaunlicherweise sind sich alle bei der Führung einig, dass die Erinnerung an die eigene Geschichte für die Gegenwart, für heute zentral ist. Und das sehen alle auch für ihre eigenen Länder so.
„Anschaulich, aktiv, mit viel beispielhafter Erklärung“ sind einige der Feedbacks am Ende der Führung.
WiPDaF bietet die Führung für alle Kurse in der Unterrichtszeit kostenlos an.





